"Kliniken sind zumeist nicht darauf ausgerichtet, Patientinnen und Patienten ambulant zu versorgen"

Am Freitag hat die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ihre zehnte Stellungnahme zur „Überwindung der Sektorengrenzen des deutschen Gesundheitssystems“ vorgelegt. Hierzu erklärt der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried:

„Dem Papier der Regierungskommission fehlt eine ausreichende empirische Grundlage. So wird bei der Forderung, die sogenannte ‚doppelte Facharztschiene‘ abzubauen, völlig außer Acht gelassen, dass die allermeisten Krankenhäuser, insbesondere in ländlichen Regionen, die Breite der fachärztlichen Versorgung gar nicht anbieten. So sind etwa im niedergelassenen Bereich derzeit etwa sechsmal mehr Fachärztinnen und -ärzte für Augenheilkunde, dreimal mehr für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie doppelt so viele Gynäkologinnen und Gynäkologen tätig wie an den Kliniken. Zudem sind Krankenhäuser in der Regel nicht darauf ausgerichtet, Patientinnen und Patienten ambulant zu versorgen. So kommt eine aktuelle Studie der Rhön-Stiftung zu dem Schluss, dass die ambulante Leistungserbringung durch Krankenhäuser bislang in der Regel ‚nebenher‘ erfolge. Dies gelte für organisatorische wie auch ökonomische Aspekte. Kliniken hätten demnach häufig keinen vollständigen Überblick darüber, welche ambulanten Leistungen wie und in welchem Umfang in der eigenen Institution erbracht würden. Tatsächlich können nach Zi-Auswertungen viele Krankenhäuser ihre (stationären) Versorgungsangebote ohne die Mitwirkung niedergelassener Fachärztinnen und -ärzte gerade in weniger gut versorgten Regionen nicht umsetzen.

Die Statistik der Bundesärztekammer zeigt, dass die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den Klinken seit Jahren weitaus stärker steigt als in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. In der vertragsärztlichen Versorgung werden künftig Versorgungsengpässe erwartet. Dagegen wird im stationären Bereich mit einem strukturellen Fallzahlrückgang und Kapazitätsanpassungen gerechnet. Eine gemeinsame sektorenübergreifende Planung sollte daher eher Überkapazitäten in wirtschaftlich kaum tragfähigen Krankenhäusern in die ambulante Versorgung steuern, damit die Sicherstellung mit insgesamt knappen Personalressourcen ohne Doppelstrukturen gelingen kann.

Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung wäre die Stärkung der sektorengleichen Vergütung gemäß § 115f SGB V. Anstatt das Preisgefälle bei ambulant erbringbaren Leistungen zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung weiter zu zementieren, muss es aufgelöst werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Der Vorschlag der Kommission, dass Krankenhäuser zusätzlich zu den bestehenden Möglichkeiten noch für weitere Indikationen die Möglichkeit erhalten sollen, spezielle ‚Institutionelle Ii-Ambulanzen‘ einzurichten, geht daher exakt in die falsche Richtung. Diese sollen ambulante Leistungen in nicht von Unterversorgung bedrohten Fachgebieten auf Grundlage eines eigenen ambulanten Budgets direkt mit den Krankenkassen abrechnen können. Für die Vertragsärzteschaft bleibt für dieselben Leistungen aber nur der Einheitliche Bewertungsmaßstab, sodass die heute schon bestehenden Vergütungsunterschiede weiter erhärtet werden. Angesichts des Preisgefälles zwischen ambulanter und stationärer Vergütung bestünde weiterhin ein hoher Anreiz zur stationären Aufnahme.

Zu unterstützen ist hingegen die Empfehlung der Regierungskommission, das Primärarztsystem auszubauen und ihm eine stärkere steuernde Funktion zuzuweisen. Dies dürfte jedoch auch eine verbindliche Einschreibung in Hausarztpraxen erfordern. Zugleich empfiehlt die Kommission allerdings, eine flächendeckende Versorgung durch angemessen qualifizierte Pflegefachpersonen (z. B. Advanced Nurse Practitioner) aufzubauen, die zwar in enger Kooperation mit den Primärärztinnen und -ärzten, aber gleichzeitig selbständig und unabhängig sowie ohne Arztvorbehalt die wohnortnahe Versorgung insbesondere chronisch kranker Menschen übernehmen. Somit bleibt offen, wer eigentlich am Ende faktisch und formal in der Lage wäre, die Versorgung einzelner Patientinnen und Patienten zu steuern.“
 

Das Presse-Statement zum Download.
 

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Daniel Wosnitzka

Leiter Stabsstelle Kommunikation / Pressesprecher