Zi veröffentlicht Kennzahlen zum Management der COVID-19-Pandemie durch die Bundesländer

Presse-Statement zum Management der COVID-19-Pandemie durch die Bundesländer

Die Bund-Länder-Konferenz zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie hat am 6. Mai 2020 beschlossen, „dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen Landesbehörden umgesetzt“ werden muss. Vor diesem Hintergrund hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) länderspezifische Kennzahlen zur Steuerung des Pandemieverlaufs entwickelt. Dazu erklärt der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried:

„Die Fixierung auf eine täglich aktualisierte Reproduktionszahl R greift beim aktuellen Pandemieverlauf zu kurz. Der R-Wert ist bei niedrigen Infektionszahlen schwer zu interpretieren, da er stark auf kleine Veränderungen in der Zahl der Neuinfektionen reagiert. Darauf hat das Robert Koch-Institut (RKI) heute bereits mit einer Änderung der Berechnungsmethode reagiert. Auch die einheitlich fixierte Interventionsgrenze der Bund-Länder-Konferenz berücksichtigt nicht, wie stark die regionalen Kapazitäten der medizinischen Versorgung bei ansteigenden Fallzahlen beansprucht werden könnten. Um die zu erwartende Ausbreitung des COVID-19-Virus wie politisch gefordert besser regionalisiert monitorieren zu können, hat das Zi jetzt ein Modell entwickelt, das zwei Kennzahlen für das Pandemie-Management der Länder enthält: eine länderspezifische Belastungsgrenze des Gesundheitswesens und die sich daraus bei steigenden Fallzahlen ergebende Vorwarnzeit bis zum Erreichen dieser Belastungsgrenze. Diese Kennzahlen sollen helfen, die Dringlichkeit weitergehender Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu bewerten und gegenüber Grundrechtseinschränkungen abzuwägen.“

Die Belastungsgrenze wird abgeleitet aus den für die Versorgung von COVID-19-Patienten verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungsplätzen (25 Prozent aller registrierten Intensivplätze), dem Anteil der intensivmedizinisch behandlungspflichtigen COVID-19-Patienten an allen gemeldeten Infektionsfällen (5 Prozent), und der mittleren Behandlungsdauer der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen (10 Tage). Laut Register der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) standen am 7. Mai 2020 32.828 Intensivbetten in Deutschland zur Verfügung. Somit liegt die rechnerische Belastungsgrenze des Gesundheitswesens an diesem Tag bei 16.414 täglichen Neuinfektionen bundesweit, die von Bund und Ländern fixierte Interventionsgrenze bei 5.930 täglichen Neuinfektionen (36 Prozent der rechnerischen Belastungsgrenze). Je höher die länderspezifische Belastungsgrenze durch die Interventionsgrenze ausgeschöpft ist (z.B. Baden-Württemberg: 42,2 Prozent; Saarland: 20,2 Prozent), desto kürzer ist die verbleibende Zeit bis zum Erreichen der Belastungsgrenze bezogen auf die im jeweiligen Bundesland verfügbaren intensivmedizinischen Ressourcen. Berücksichtigt man pauschal anzunehmende Zeitverluste bis zum Wirksamwerden von Maßnahmen unter der Annahme, dass sich die Vorwarnzeit hierdurch um 21 Tage verkürzt (effektive Vorwarnzeit), betrüge die verbleibende Zeit in einigen Bundesländern 2 bis 3 Wochen, in anderen nur noch 1 bis 3 Tage.

„Unsere Modellbetrachtung zeigt, dass es notwendig ist, neben der Interventionsgrenze die rechnerische Belastungsgrenze und die voraussichtlich verbleibende Zeit bis zum Erreichen dieser Belastungsgrenze zu berücksichtigen. Dies kann helfen, die Anzahl und die Art der notwendigen Interventionen zu bewerten. Um Maßnahmen, die mit tiefgreifenden Einschränkungen für die Bevölkerung einhergehen, abzuwägen, braucht es klare, epidemiologisch fundierte Grenzwerte, die der Politik einen sicheren Kompass beim Pandemie-Management an die Hand gibt, um eine drohende Überlastung des Gesundheitswesens auszuschließen, wenn die Neuinfektionen wieder ansteigen sollten.“

<link file:2997 _blank pdf>Zi-Papier „Geeignete Maßzahlen für ein Pandemie-Management: Interventionsgrenze, Reproduktionszahl, Vorwarnzeit“</link>

<link file:2996 _blank pdf>Die Presseinformation zum Download</link>

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Daniel Wosnitzka

Leiter Stabsstelle Kommunikation / Pressesprecher